Ist das Psychologisches Coaching ein Trend? Ist es mehr und ist es sinnvoll? Training, Fortbildung sind nicht Coaching!
Wir waren Redakteure, wir waren ehrgeizig, wir waren auf (Radio-)Sender und rund Sieben Millionen Menschen hörten täglich den Norddeutschen Rundfunk. Es war Wochenende, wir hatten einen Konferenzsaal an der Hamburger Rothenbaumchaussee und eine phantastische Trainerin, die uns beibrachte, leicht, mit Spaß und virtuos künftig mehr aus unseren Stimmen rauszuholen. Wir zahlten keinen Pfennig dafür, weil das eine Fortbildungsmaßnahme des Senders war. Weil ja Radioleute nicht allein für ihr politisch-kulturellen Wissen bezahlt werden, sondern auch für den professionellen Einsatz ihrer Stimme.
Was ist die Wolfs-Stimme?
Das krähen heute quasi die Spatzen von den Bäumen, was Marschall B. Rosenberg in den 1960er Jahren verbreitete, und zwar vor dem dramatischen Hintergrund der Rassentrennung in den USA: Er entwickelte das Kommunikations-Konzept der Gewaltfreiheit und bereitete auch den Boden für den Gedanken der Mediation, die wie viele andere Psychokonzepte im Laufe der Jahrzehnte ebenfalls in die firmenfinanzierten Fortbildungen Einzug hielten. Welche so allmählich den Charakter klassischer Trainings verloren und zu Gruppencoachings wurden. Unglaublich viel Psycho-Wissen wird nun in die Köpfe der Angestellten hineingetrichtert, dass man sich fragen darf, wie Software-Spezialisten, Buchhalter, Marketingleute, Riskmanager, Techniker und Ingenieure das eigentlich verarbeiten sollen.
Die Sinnfrage
„Ich kann bei unseren Trainings nur schwer noch einen Mehrwert erkennen“, sagte mir eine Klientin. Sie ist Managerin und hat 130.000 Euro Jahresgehalt. Eine andere Klientin mit entsprechend hohem beruflichem Status klagte nach einem Firmen-Seminar-Wochenende völlig erschöpft: „Ich glaube, all dieses Zeugs, was wir da lernen, verkleistert mir inzwischen den Kopf!“ Ein Banker sagte mir: „Dass ich einen Coach habe, geht die Personalabteilung einen Scheißdreck an, das zahle ich selber!“ Diesem Mann ging es um die Sinnfrage und er wollte von mir unter anderem meine Meinung zu seinem Alltagsstress hören … „Ist das ok, dass meine Frau zu mir nach meinem 12-Stunden-Tag sagt, ich solle die Spülmaschine ausräumen?“
Coaching für Stromlinienform
Pseudo-Coaching statt Training – wem nützt das? Werden da Fertigkeiten vermittelt oder Ideologie? Ich höre von meinen Klienten aus den großen Konzernen, dass Ihnen die geballte Ladung an Trainings so auf die Nerven geht, wie seinerzeit der Schulunterricht. Viele schalten auf Durchzug im soundsovielten Seminar, das die begeisterte Human-Ressource-Abteilung angeleiert hat, und sie denken mit Nervenzucken an ihr Projekt mit jener dräuenden Deadline und überlegen, ob sie nicht mal einen privaten Coach engagieren sollen, um den Stress zu vermindern oder ganz einen neuen Job zu finden.
Psychologisches Coaching ist individuell und macht frei
Modernes psychologisches Coaching stellt das Individuum ins Zentrum. Coaching erkennt im Menschen das Persönlichkeits-Potenzial und nutzt es. Coaching befördert die individuelle Stärke und hilft gerade in Problemsituationen, die Talente einer Persönlichkeit zur Blüte zu bringen und nach außen zu tragen. Businesscoaching, Karriereentwicklung, Planung und Entwicklung der individuellen Lebenserfolge gehen Hand in Hand mit psychologischer Persönlichkeitsentwicklung.
Coaching statt Psychotherapie
Modernes Coaching ist lösungsorientiert und zielfokussiert, weil uns die Neurowissenschaften lehren, dass unsere Gehirne genauso ticken. Unsere Gehirne lieben nicht Problem, sie lieben Lösung. Gehirne sind auf Kreativität und Innovation aus. Für das vertiefende Reflektieren und Aushalten von Leid und Kummer sind sie nicht gemacht.
Psychologisches Coaching wird deshalb mehr und mehr die klassische Psychotherapie ersetzen, weil sie problemfokussiert ist und Menschen nicht voran bringt.
So erkennen Sie einen guten Coach
Ich weiß von einer Frau, die sich Coach nennt, weil sie selbst einen Burnout erlebt und überwunden hat. Selbsterfahrung allein reicht absolut nicht aus für Qualität.
Sondern:
Die Persönlichkeit des Therapeuten ist in allen Disziplinen der Seelenkunde spielentscheidend. Sogar die klassische Psychoanalyse, die unter modernen Psychologen als veraltet und überholt gilt, kann hilfreich sein bei einem genialen Therapeuten.
Und:
Psychologisches Grundlagenwissen sowie Menschenwissen praktischer Art muss jemand haben, der/die sich Coach nennt. Das wird erworben am besten durch ein akademisches psychologisches Studium sowie gründliche, vielseitige Methodenausbildung in moderner Psychologie. Vorerfahrung in einer „klassischen“ Berufstätigkeit bereichert den guten Coach um Lebenserfahrung, die jemand ebenfalls haben sollte, der anderen mit Autorität und Überzeugungskraft beim Vorankommen helfen will.
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